Geschichte der Freimaurerei in Erfurt
Der erste bekannte Freimaurer in Erfurt war der legendäre Graf Gustav Adolf von Gotter (1692 – 1762), der 1734 das heruntergekommene Schloss in Molsdorf kaufte, und es zu einem barocken Lustschloss umbauen ließ. Dort nahm er 1741 als Meister vom Stuhl der Berliner Loge „aux trois Globes“ sowohl den Prinzen Ludwig Ernst von Sachsen-Gotha als auch den Herzog Carl Friedrich von Sachsen-Meiningen in den Bund der Freimaurer auf.
Unter dem Namen „Zu den drei Quellen“ wurde die erste Freimaurerloge in Erfurt 1784 gegründet. Als MvSt fungierte der Erfurter Universitätsprofessor und Freimaurer Jakob Friedrich Sinnhold. Allerdings war man beim Erwerb des Patents, welches zur Gründung einer Loge berechtigte, einem Betrüger aufgesessen. Das hatte zur Folge, dass diese Loge irregulär war, und bereits 1786 ihre Arbeit wieder einstellen musste.
Mit Unterstützung des Kurfürsten von Mainz und Statthalters von Erfurt, Carl Theodor Reichsfreiherr von Dalberg sowie des Weimarer Freimaurers Johann Joachim Bode gelang es Sinnhold bereits im Februar 1787 eine diesmal reguläre Loge mit dem Namen „Carl zu den drei Rädern“ zu installieren.
„Carl“ wies auf den adeligen Förderer hin, die „drei Räder“ resultierten aus den beiden Wappen von Mainz und Erfurt.
Die Loge gehörte keinem Großlogensystem an. Als jedoch Erfurt an Preußen fiel, mussten die Brüder sich 1804 mehr oder minder freiwillig der „Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln“ anschließen. Als Folge der preußischen Niederlage bei Jena und Auerstedt gegen Napoleon wurde Erfurt französische Garnisonsstadt, und viele der dort stationierten französischen Offiziere, die Freimaurer waren, verkehrten in der Loge.
Das Blatt wendete sich durch die Völkerschlacht bei Leipzig. Die Preußen kamen 1814 zurück, bezichtigten die Mitglieder der „Räder-Loge“ der Kollaboration und verboten ihnen weiter freimaurerisch zu arbeiten. Den „unbelasteten“ Brüdern gelang jedoch rasch die Gründung einer „neuen“ Loge. Diese führte nun den Namen „Carl zu den drei Adlern“, als Verbeugung vor dem
preußischen Wappentier.
Von dieser Zeit an arbeitete die Loge in Frieden. Sie nahm in der Folgezeit viele Erfurter Bürger in ihre Reihen auf, so dass für das Jahr 1884 bereits 237 Mitglieder verzeichnet sind. In der Turniergasse konnte ein repräsentatives Logengebäude errichtet werden, das eine weitere erfolgreiche Arbeit ermöglichte.
Auch sozial war die „Adler-Loge“ äußerst präsent. Bereits 1821 konnte, ganz von den Brüdern getragen, eine Taubstummenanstalt errichtet werden, deren Lehrkraft ebenfalls von der Loge bezahlt wurde. Daneben gab es noch viele weitere caritative Aktionen, wie z.B. die Winterspeisung von Bedürftigen oder die Einkleidung armer Kinder. Möglich war das alles, da der Loge im Laufe der Jahre großherzige Spenden und Erbschaften zufielen.
Das Ende der Freimaurerei in Erfurt kam mit der Schließung des Logengebäudes, der Beschlagnahme des Vermögens und dem Verbot der Logenarbeit durch die Gestapo und die NSDAP im Jahre 1935.
Neben dieser großen und alten Loge entstanden aber im Laufe der Jahre noch etliche andere freimaurerische Vereinigungen. So wurden nach den Napoleonischen Kriegen 1813 große Truppenkontingente nach Erfurt verlegt. In ihrem Gefolge befand sich auch die preußische Feldloge Nr. 2 mit ihrem Wahlspruch „suum cuique“ (Jedem das Seine). Diese beantragte 1816 durch den Grafen Henckel von Donnersmarck in eine „stehende Loge“ umgewandelt zu werden. Dem Ansinnen wurde stattgegeben, und die neue Loge erhielt den Namen „Friedrich Wilhelm zum Eisernen Kreuz“. Bereits zwei Jahre später erfolgte ihre Verlegung nach Torgau, dann weiter nach Bonn, wo auch sie 1935 verboten wurde.
1908 gründete die „Große Landesloge von Deutschland“ in Erfurt eine Loge mit dem Namen „Zu den drei Quellen“. Zuerst gab es eine große Verstimmung mit den Brüdern der „Adler-Loge“, war doch ein dunkles Kapitel in ihrer Vergangenheit mit diesem Namen verbunden. Nach einiger Zeit kam es dann doch zu einem gedeihlichen Zusammenleben, denn die neue Loge arbeitete auch im Logenhaus in der Turniergasse. Das Mitgliederverzeichnis von 1929/1930 weist 125 Brüder aus. Die Loge erlitt 1935 das gleiche Schicksal wie die anderen Logen.
Mit einem Patent des „Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne“, eine zur damaligen Zeit nicht anerkannte Großloge mit berühmten Mitgliedern, wie z.B. dem Nobelpreisträger Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky, entstand 1910 in Erfurt die Loge „Licht und Wahrheit“. Ihre Ausrichtung war völlig religionslos und basierte auf einer monistischen Weltanschauung. Diese kleine Vereinigung zählte im Jahre 1930 nur 29 Mitglieder. Als einzige der Logen löste sie sich nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 selbst auf, kam damit dem Verbot zuvor, und verteilte das vorhandene Vermögen unter den Mitgliedern.
Als letztes ist in Erfurt das freimaurerische „Kränzchen“ „Zur Rose an Severi“ zu nennen. „Kränzchen“ ist die Bezeichnung für eine Vereinigung von Freimaurern, die noch nicht über ein Patent zur Logengründung verfügen. Für ihr „Kränzchen“ erhielten sie 1927 die Erlaubnis von der Bayreuther Großloge „Zur Sonne“. Es waren neun Brüder, die sich an die Arbeit machten. Ihr Handeln war aber nicht von Erfolg gekrönt, denn bereits 1932 beantragten acht von ihnen wegen andauernder Querelen untereinander das Ruhen der Loge, dem auch stattgegeben wurde.
Direkt nach dem Fall der Mauer 1989 machten sich Mainzer Freimaurer auf den Weg zu ihrer Partnerstadt Erfurt um dort, nach über 60 Jahren, das freimaurerische Leben zu reaktivieren. Dank des großen Einsatzes, besonders von Bruder Wolfram Kraffert ( † ) gelang dies relativ schnell, denn schon am 11. Dezember 1993 konnte im Haus Dacheröden die festliche Lichteinbringung erfolgen. Man hatte sich entschlossen, nicht eine alte Loge wieder zu beleben, sondern eine ganz neue zu
gründen. Diese entstand dann mit einem Patent der „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland“ und führte den Namen „Alpha Ori“. Dieser Alpha-Stern des Sternbildes Orion strahlt besonders hell und steht für die Lichtsymbolik der Freimaurerei. Nach dem verheißungsvollen Start folgte ein lange Phase der Probleme und Stagnation. Das führte letztendlich dazu, dass die „Alpha Ori“ zum 31.12.2003 von der Großloge für ruhend erklärt wurde. Danach fanden keine weiteren Zusammenkünfte mehr statt.
Eine Reihe von Freimaurern aus den alten Bundesländern wagte 2007 den Versuch, in Erfurt die Loge „Alpha Ori“ wieder zu beleben. Bereits am 16. November 2007 kam es in Mühlhausen zur Gründung einer Deputationsloge, d.h. eines Vorläufers einer regulären Loge. Das Interesse an der Freimaurerei in Erfurt war so beachtlich, und es traten so viele Männer dem Bund bei, dass schon am 20. September 2009 die Loge erneut in Arbeit gesetzt werden konnte. Ab 2013 sind alle Funktionen innerhalb der „Alpha Ori“ von Erfurter Brüdern übernommen worden. Von Anfang an finden die Arbeiten in der „Hohen Lilie“ am Domplatz statt. Die Loge hat z.Zt. über 35 Mitglieder aus allen Berufs- und Bildungsschichten sowie unterschiedlichsten Lebensaltern.
letzte Änderung: 22. Aug. 2018